BGH, neue Entscheidung zum Kindes- und Enkelunterhalt

Beschluss vom 27.10.2021, Aktenzeichen: XII ZB 123/21

1.)

Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass sich die Leistungsfähigkeit der Eltern für den Kindesunterhalt allein nach § 1603 Abs. 1 BGB richtet und damit unter Berücksichtigung des sog. angemessenen Selbstbehalts zu ermitteln ist. Die gesteigerte Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB mit der Reduzierung auf den sog. notwendigen Selbstbehalt greift dann nicht ein.

2.)

Der auf Unterhalt für sein minderjähriges Kind in Anspruch genommene Elternteil trägt die Darlegungs- und der Beweislast für seine eigene Leistungsunfähigkeit und damit sowohl dafür, dass bei der begehrten Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, als auch dafür, dass andere leistungsfähige Verwandte i. S. d. § 1603 Abs. 2 S. 3 Halbsatz 1 BGB vorhanden sind.


Im vorliegenden Fall hatte der BGH zu klären, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch dann besteht, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Die Beantwortung dieser Frage ist u. a. dafür von Bedeutung, ob ein erwerbstätiger Elternteil für den Kindesunterhalt sein oberhalb des sog. notwendigen Selbstbehalts (derzeit € 1.160,00) liegendes Einkommen einzusetzen hat oder lediglich das Einkommen oberhalb seines sog. angemessenen Selbstbehalts (derzeit € 1.400,00).

Der BGH hat nun entschieden, dass das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern dazu führt, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folge nach dem BGH nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, sondern entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Dabei bleibt nach Auffassung des BGH gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorge nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zustehe (derzeit € 2.000,00 zuzüglich der Hälfte des über € 2.000,00 liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber Ihren Kindern.

Ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Elternteil müsse aber in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlungen sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind.

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